Hier ist zu lesen, was mich gerade so bewegt. 

13.04.2021

Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz wegen Ausgangsbeschränkung im Landkreis Peine abgelehnt – Klage bleibt aufrechterhalten

Das von Klägern beim Verwaltungsgericht Braunschweig eingereichte Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz gegen die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen ist abgelehnt worden. 
Dies wurde gestern vom Verwaltungsgericht fernmündlich mitgeteilt, allerdings ohne Angabe von Gründen.
Für mindestens zwei Kläger stellt diese gerichtliche Entscheidung jedoch keinen Grund dar, die gleichzeitig eingereichte Klage gegen die Allgemeinverfügung des Landkreises Peine vom 30.03. zurückzunehmen. 
Diese wird nun mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der nächtlichen Ausgangssperre im Nachhinein weiterverfolgt werden. 
Die beiden Kläger halten an ihrer Rechtsauffassung und deren Begründung fest.
Nach wie vor betonen die Kläger, dass sie mit der Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens angesichts der hohen Infektionszahlen keineswegs weitergehende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen verhindert wollen. 
Im Gegenteil; sie beanstanden nach wie vor allein die Wahl des Mittels der abendlichen bzw. nächtlichen Ausgangsbeschränkung  und befinden sich dabei in bester Gesellschaft, wie das erfolgreiche Vorgehen anderer Kläger bundesweit zeigt. 
Den Klägern geht es darum, die prinzipielle Bedeutung des rechtswidrigen Übermaßes der mit der Ausgangssperre verbundenen Grundrechtseinschränkungen aufzuzeigen. 
Sie halten diese Maßnahme für unverhältnismäßig, da besser geeignete und vor allem mildere Mittel zur Verfügung stehen.
Im Übrigen nehmen die Kläger mit Zufriedenheit (wenn auch überrascht) zur Kenntnis, dass nun der Landkreis – trotz steigender (!) Inzidenzzahlen – vorerst davon Abstand nimmt, die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen zu verlängern. 
Offensichtlich schreckt man bei einer Inzidenzzahl von (gerade noch) unter 150 davor zurück, wegen des jüngsten OVG-Beschlusses zu den (als rechtswidrig, da unverhältnismäßig angesehenen) Ausgangsbeschränkungen im benachbarten Hannover.

Zur Zusammenfassung und Erinnerung: 
Die Verfügung der Ausgangssperre der Region Hannover verstößt lt. OVG Beschluss vom 07.04. gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellt damit keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes dar. 
Insbesondere sei es nicht zielführend, ein diffuses Infektionsgeschehen ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären. 
So wäre nachzuweisen gewesen, dass und in welchem Umfang regelwidrige nächtlichen Zusammenkünfte im privaten Raum tatsächlich stattfinden. 
Nach mehr als einem Jahr Dauer des Pandemiegeschehens und den damit verbundenen Erkenntnissen lasse sich der Erlass einschneidender Maßnahmen lediglich auf Verdacht jedenfalls nicht mehr rechtfertigen. 
Es erscheine nicht angemessen, alle in einem bestimmten Gebiet lebenden Personen einer Ausgangsbeschränkung zu unterwerfen, nur weil einzelne Personen und Personengruppen die geltenden allgemeinen Kontaktbeschränkungen nicht freiwillig befolgen oder nicht staatlicherseits alles Mögliche und Zumutbare unternommen wurde, um gegenüber diesen Personen und Personengruppen die Einhaltung der allgemeinen Kontaktbeschränkungen durchzusetzen.
Die Kläger gehen davon aus, dass diese grundsätzlichen Erwägungen in der Begründung des OVG-Beschlusses auch für die Anordnung im Landkreis Peine zutreffen und machen sich die Ausführungen des OVG in der Begründung seiner Entscheidung zu eigen. 
Aus diesem Grund und im Lichte dieses Beschlusses des (dem Verwaltungsgericht Braunschweig übergeordneten und damit höherrangigen) Gerichts werden die Kläger sicher nicht die einzigen sein, welche es erneut auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen werden, sollte der Landkreis Peine nochmals nächtliche Ausgangssperren anordnen.
Für diesen Fall geben die Kläger bereits heute zu bedenken, dass inzwischen internationale Studien vorliegen, welche sogar die Schädlichkeit von Ausgangssperren ergeben haben: 
Diese tragen mitunter sogar zur Anfeuerung des Infektionsgeschehens bei, indem sie die Kontakte auf ein engeres Zeitfenster zusammendrängen. 
Abendliche Treffen werden in den privaten (Innen-)Raum (=Wohnungen) verdrängt, wo sie den ordnungsbehördlichen Kontrollen der Kontaktbeschränkungen weitgehend entzogen sind. 
Verschärfend tritt hinzu, dass weitere Studien unlängst die Infektionsgefahr in Innenräumen als weitaus größer eingestuft haben als im Freien.

Gerade im Hinblick auf die im Landkreis Peine (trotz „Hausarrest für alle“) wieder gestiegenen Inzidenzzahlen stellen die Kläger fest, dass der beabsichtigte Effekt einer Minderung des Infektionsgeschehens gerade nicht eingetreten ist. 
Dies war für die Kläger auch nicht zu erwarten, da für sie die die Eignung der Maßnahme von vornherein zweifelhaft war. 
Nach alledem halten die Kläger nächtliche Ausgangsbeschränkungen weiterhin für ein wenig geeignetes und allenfalls nachrangiges Mittel zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens. 
Sie werden sich auch gegen künftige grundrechtseinschränkende rechtswidrige Maßnahmen wehren, indem sie ihre verfassungsrechtlich garantierten Rechte auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz wahr-nehmen.

Nach Auffassung der Kläger sind die bisher im Landkreis Peine getroffenen weiteren Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens unzureichend. 
Mit besonderer Besorgnis nehmen die Kläger aktuell zur Kenntnis, dass der Landkreis weder seine Kontrollaktivitäten der bestehenden Kontaktbeschränkungen „Hotspot-bezogen“ erhöht hat, noch dass er die Teststrategie und seine Maßnahmen effektiv und effizient dem Geschehen anzupassen gewillt ist. 
Aus diesem Grund meinen die Kläger, dass folgende Maßnahmen helfen, das Infektionsgeschehen zukünftig auch ohne schwerwiegende Grundrechtseingriffe bei allen Bürgern in den Griff zu bekommen:
- intensivierte, passgenauere Kontrollaktivitäten hinsichtlich der Einhaltung der seit längerem bestehenden Kontaktbeschränkungen, und zwar „Hotspot-bezogen“ und auch tags-über (!), beispielsweise an den Bahnhöfen, auf Parkplätzen, auf dem Marktplatz und in der Fußgängerzone sowie in den Supermärkten;
- Ausweitung der Maskenpflicht  auch am Arbeitsplatz und im Schulunterricht,
- Überprüfung und Anpassung bestehender Hygienekonzepte, besonders in den in der Vergangenheit negativ als „Hotspots“ aufgefallenen Betrieben, Wohnheimen und sonstigen Einrichtungen;
- Ausweitung der Teststrategien und insbesondere das sogenannte Contact Tracing: Erkrankte müssen unverzüglich (und nachprüfbar!) isoliert und ihre Kontaktpersonen konsequent nachverfolgt und getestet werden;
- Einsatz von Sozialarbeitern in Brennpunkten, wie beispielsweise der Peine Südstadt, um dort im Dialog die dort ansässige Bevölkerung über die Notwendigkeit der Kontaktbeschränkungen aufzuklären und damit deren Akzeptanz und freiwillige Befolgung zu erhöhen (Vorbild Salzgitter).

Admin - 16:46 @ Corona


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